Sternschnuppe Eisleben
Singen, backen, lesen: Den Kindern in der Sternschnuppe in Eisleben wird während der Weihnachtszeit einiges geboten. Bildrechte: MDR/Nicole Franz

Kinderarmut Weihnachten in Armut: "Wir wollen den Kindern etwas Freude ins Herz zaubern"

23. Dezember 2024, 13:40 Uhr

Jedes vierte Kind in Sachsen-Anhalt ist armutsgefährdet. Besonders die Weihnachtszeit stellt einkommensschwache Familien vor Herausforderungen. Doch es gibt Hilfe – zum Beispiel in der "Sternschnuppe" in Eisleben.

Was sie sich zu Weihnachten wünscht? Lisa Hanke zögert keine Sekunde. "Nur, dass alle gesund sind", sagt die 12-Jährige. "Ich freue mich einfach darauf, mit der Familie zusammen zu sein."

Als sie diese Sätze über den wahren Geist der Weihnachtszeit sagt, bastelt die Schülerin gerade Weihnachtsbaumschmuck in der "Sternschnuppe" in Eisleben. Die Einrichtung des Kinderschutzbundes Mansfeld-Südharz bietet auch Kindern aus einkommensschwachen Familien die Möglichkeit, zu spielen oder Hausaufgaben zu machen. In der Vorweihnachtszeit wird beispielsweise gemeinsam gebacken oder es werden Weihnachtslieder gesungen.

Eine große Unterstützung sei das, sagt Enrico Hanke. Denn bei aller Bescheidenheit seiner Tochter: "Vor Weihnachten ist es schon stressig für uns", erzählt der 40-Jährige. "Die Kinder wollen auf den Weihnachtsmarkt und wir wollen ihnen natürlich auch Geschenke machen. Aber wir haben als Familie nur ein kleines Budget zur Verfügung und wollen auch für nächstes Jahr sparen, um in den Urlaub fahren zu können. Das ist nicht immer leicht."

Sparen für die Weihnachtsgeschenke

Jedes vierte Kind in Sachsen-Anhalt ist armutsgefährdet. Das geht aus Zahlen des Statistikportals des Bundes und der Länder hervor. Damit sind hierzulande mehr Kinder betroffen als im Bundesvergleich: Deutschlandweit ist es jedes siebente Kind. Grund dafür ist vor allem die hohe Erwerbslosenquote in Sachsen-Anhalt.

Enrico Hanke hat zwar Arbeit, stundenweise bei einem Hausmeisterservice. Trotzdem bleiben der Familie pro Monat nur etwa 1.000 Euro zum Leben. Seine Frau pflegt die drei Töchter, die allesamt eine Lernbehinderung haben und eine Förderschule besuchen. "Finanziell wird es von Jahr zu Jahr schwieriger", sagt Enrico Hanke. "Alles wird immer teurer und wir müssen schauen, wie wir klarkommen."

Sternschnuppe Eisleben, Vater Enrico Hanke in der Einrichtung des Kinderschutzbundes Mansfeld-Südharz
Bildrechte: MDR/Nicole Franz

Eigentlich spielt Geld keine Rolle. Gesundheit ist am wichtigsten – und unser Zusammenhalt.

Enrico Hanke Dreifacher Familienvater

Sie kommen klar, irgendwie. Denn der Familienvater spart das gesamte Jahr über 100 Euro im Monat für die Weihnachtszeit. "Unseren Kindern soll es gut gehen. Wir wollen ihnen das Bestmögliche bieten", sagt er. Die Geschenke sind bereits besorgt, eines für jede Tochter. Und: "Nächstes Jahr wollen wir vielleicht wieder einmal in den Urlaub fahren, das war dieses Jahr leider nicht drin. Das war schon traurig, dass wir das den Kindern nicht bieten konnten."

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Verzicht auf den Weihnachtsmarkt

Eva von Angern vom Netzwerk gegen Kinderarmut Sachsen-Anhalt weiß um die Situationen von Kindern aus einkommensschwachen Familien. "Armut bedeutet Ausgrenzung und zwar schon von Kindesbeinen an", sagt die Linken-Politikerin. "Diese Nachteile spüren Kinder jeden Tag. Das ist die Kleidung, durch die sie sich unterscheiden. Oder das ist auch das Nichtgehen auf den Weihnachtsmarkt. Das gehört in unserer Gesellschaft ja zur Vorweihnachtszeit dazu, ist aber wahnsinnig teuer. Oder das ist das Weihnachtsstück im Theater, auf das die Kinder verzichten müssen. Das sind Dinge, die diese Kinder als Defizit spüren, weil es andere Kinder in ihrer Klasse eben erleben dürfen."

Armut bedeutet Ausgrenzung und zwar schon von Kindesbeinen an.

Eva von Angern Netzwerk gegen Kinderarmut Sachsen-Anhalt

Deshalb setzt sich das überparteiliche Netzwerk unter anderem für mehr Sozialarbeit in Schulen und Kindertagesstätten ein. Bessere Personalschlüssel seien ebenfalls notwendig, so Eva von Angern. "Wir versuchen Ideen zu entwickeln, wie man Armut mildern kann. Da geht es beispielsweise um kostenloses Mittagessen oder Lehrmittelfreiheit", sagt sie, aber: "Wirklich abgeschafft werden könnte Armut nur auf Bundesebene mit einer Kindergrundsicherung."

Auf die Einführung einer Kindergrundsicherung hat sich die Ampel-Regierung in Berlin – das war noch vor ihrem Zerbrechen – allerdings nicht einigen können. Der Start der Sozialreform war ursprünglich für Januar 2025 geplant – mit dem Ziel, die bisherigen Leistungen für Kinder zu bündeln, damit Familien gezielter unterstützt werden.

"Wie in der Weihnachtsmann-Werkstatt"

Fernab der großen Politik sind es Aktionen wie die des Kinderschutzbundes Mansfeld-Südharz, die den Kleinsten in der Vorweihnachtszeit große Freude bereiten. "Die Kinder, die zu uns kommen, stehen oft nicht unbedingt auf der Sonnenseite des Lebens", sagt Geschäftsführerin Daniela Liedmann. "Es ist wichtig, dass sie bei uns einen Anlaufpunkt haben. Wir wollen die Familien mit unseren Angeboten unterstützen." Etwa 50 Kinder werden pro Tag in der Sternschnuppe betreut.

Sternschnuppe Eisleben, Geschäftsführerin Daniela Liedmann in der Einrichtung des Kinderschutzbundes Mansfeld-Südharz 1 min
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MDR SACHSEN-ANHALT So 22.12.2024 09:00Uhr 00:27 min

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Gerade in der Vorweihnachtszeit "ist hier wirklich jeden Tag Action", sagt Liedmann. "Wir kommen uns vor wie in der Weihnachtsmann-Werkstatt. Alles ist mit Geschenken zugestellt. Das macht so viel Spaß, weil wir sehen, dass ganz viele Menschen auch in diesen wirklich schwierigen Zeiten anderen eine Freude machen wollen." An vielen Orten in der Region stehen Wunschweihnachtsbäume – und die Menschen können die Wünsche der Kinder aus der Sternschnuppe so erfüllen.

"Wir wollen den Kindern zeigen, dass man füreinander da ist, wenn es jemandem nicht so gut geht", sagt Daniela Liedmann. "Wir empfinden Weihnachten als besonderes Fest und wissen, dass sich doch jeder Mensch freut, wenn er zu Weihnachten kleine Präsente bekommt, die ihn berühren. Wir wollen den Kindern etwas Freude ins Herz und ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Das ist unser Anliegen."

Sternschnuppe Eisleben, Geschenke in der Einrichtung des Kinderschutzbundes Mansfeld-Südharz
Zahlreiche Menschen spenden Jahr für Jahr Geschenke für die Kinder der Sternschnuppe in Eisleben. Bildrechte: MDR/Nicole Franz

"Eigentlich spielt Geld keine Rolle"

Enrico Hanke weiß dieses Engagement zu schätzen. Zwei Stunden verbringen seine Kinder in der Regel am Nachmittag in der Sternschnuppe. "Hier werden viele Aktionen angeboten. Die Leute haben immer ein offenes Ohr", sagt der dreifache Familienvater. "Die Kinder sind hier sehr gut betreut."

Was er sich zu Weihnachten wünscht? "Dass wir alle gesund bleiben und dass es meiner Familie gut geht", sagt der 40-Jährige, denn: "Eigentlich spielt Geld keine Rolle. Gesundheit ist am wichtigsten – und unser Zusammenhalt. Ich hatte in meiner Kindheit nicht so ein gutes Elternhaus und bis zum Teil im Heim groß geworden. Deshalb will ich meinen Kindern jetzt zeigen, dass die Familie das Wichtigste ist."

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Ein roter Kreis trägt die Aufschrift: "Angst vor Armut". Auf dem Kreis hockt eine Person die ein Schild mit einem Geldsymbol hochhält. Im Hintergrund segeln Scheine auf den Boden, Personen gehen mit einem Einkaufswagen einkaufen und eine hochgestreckte Hand ist zu sehen. 38 min
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MDR (Daniel George)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 22. Dezember 2024 | 19:00 Uhr

19 Kommentare

Sozialberuflerin vor 13 Wochen

Leider, lieber pwsksk, sind auch ihre Erfahrungen auf Ihre eigene Blase beschränkt.
Die hat man ihnen nicht abzusprechen.

Jedoch unterstelle ich Ihnen nach ihrem Satz:
'Und wenn sie "fehlende Betreuungsmöglichkeiten" als "Ausrede" sehen, dann ist es ganz schlimm um sie bestellt.' auch fehlende Ahnung!!



pwsksk vor 13 Wochen

@astrodon, schon wieder quillt die Arroganz eines Nichtwissenden über. Sie sollten nicht den Erfahrungen von Menschen widersprechen, die sie scheinbar in keinster Weise sammeln durften. Und wenn sie "fehlende Betreuungsmöglichkeiten" als "Ausrede" sehen, dann ist es ganz schlimm um sie bestellt.

pwsksk vor 13 Wochen

@astrodon, ich schrieb doch, ihre Arroganz können sie sich sparen. Wenn sie natürlich bei VW oder ä. arbeiten, seien sie froh. Sie haben nämlich keine Ahnung. Die 14€ sind eine "Showüberschrift".

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